Selbsterfahrung und BU-Versicherung

Für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine umfangreiche Gesundheitsprüfung notwendig. Darin müssen auch psychotherapeutische Sitzungen angegeben werden, die in den letzten 3-5 Jahren stattgefunden haben.

Die vorgeschriebene Selbsterfahrung, die Psychotherapeuten durchlaufen müssen, zählt ebenfalls zu den angabepflichtigen Behandlungen in der Gesundheitsprüfung für die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Was genau ist die Selbsterfahrung und wie kann ich trotzdem eine BU abschließen?

Was ist Selbsterfahrung?

Selbsterfahrung bedeutet, sich mit den eigenen inneren Prozessen, der persönlichen Geschichte und den zwischenmenschlichen Dynamiken auseinanderzusetzen – in einem geschützten therapeutischen Rahmen. Ziel ist es, die eigene Selbstreflexionsfähigkeit zu stärken und zu lernen, wie sich die eigene Persönlichkeit auf die therapeutische Beziehung auswirken kann.

Selbsterfahrung im alten Ausbildungssystem (bis 2032 auslaufend)

Die Selbsterfahrung ist verpflichtender Bestandteil:

  • je nach Fachrichtung:
    • Verhaltenstherapie: meist 120 Stunden (Gruppen- und Einzelselbsterfahrung)
    • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie / Psychoanalyse: teilweise über 150–250 Stunden
  • findet meist parallel zur praktischen Tätigkeit und Supervision statt

Selbsterfahrung im neuen Psychotherapeutengesetz (PsychThG 2020)

Die Selbsterfahrung ist auch hier verpflichtend, jedoch:

  • nun Bestandteil der Fachkunde-Weiterbildung nach der Approbation
  • Umfang und Form hängen vom Weiterbildungsinstitut und der gewählten Fachrichtung ab
  • die genauen Inhalte sind in den Weiterbildungsordnungen der Landespsychotherapeutenkammern geregelt

Ziele der Selbsterfahrung

  1. Stärkung der therapeutischen Beziehungskompetenz
  2. Bewusstsein für eigene „blinde Flecken“ (z. B. Übertragungen, Gegenübertragungen)
  3. Verarbeitung eigener Themen, die in der Arbeit mit Patient:innen berührt werden könnten
  4. Abgrenzungsfähigkeit stärken
  5. Emotionales Lernen am eigenen Leib
  6. Vermeidung von Projektionen auf Patient:innen

Formen der Selbsterfahrung

  • Einzelselbsterfahrung
    → besonders tiefgehende Bearbeitung persönlicher Themen
  • Gruppenselbsterfahrung
    → Fokus auf Interaktion, Beziehungsmuster, Feedback, Gruppendynamik
  • Erlebnisorientiert (z. B. Rollenspiele, Körperarbeit, Gestaltmethoden) oder klassisch verbal (wie in Gesprächstherapie)

Wer darf Selbsterfahrung anbieten?

Anerkannte Selbsterfahrungsleiter:innen müssen

  • approbierte Psychotherapeut:innen oder ärztliche Psychotherapeut:innen sein
  • eine von den Ausbildungsinstituten anerkannte Selbsterfahrungsleitung nachweisen
  • meist eine bestimmte Fachkunde (VT, TP oder PA) und mehrere Jahre Berufserfahrung haben

Wann im Ausbildungsverlauf?

  • Selbsterfahrung findet nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich während der Ausbildung oder Weiterbildung statt
  • Besonders sinnvoll: frühzeitig, um reflektiert in erste Therapieprozesse zu gehen

Kosten

  • Werden nicht von der Krankenkasse übernommen
  • Kosten sind selbst zu tragen, manchmal sind sie im Ausbildungspreis enthalten
  • Preise (Stand 2025, Richtwerte):
    • Gruppenselbsterfahrung: 25–50 € pro Sitzung
    • Einzelselbsterfahrung: 60–120 € pro Sitzung

Abgrenzung zur Supervision

SelbsterfahrungSupervision
Fokus: eigene Person & MusterFokus: Patient:innen & Therapieverlauf
PersönlichkeitsentwicklungFallspezifische Reflexion
Keine konkrete TherapieplanungZiel: Verbesserung der therapeutischen Arbeit

BU trotz Selbsterfahrung

Wie eingangs erwähnt gehört die Selbsterfahrung zu den abgabepflichtigen und damit risikoerheblichen Behandlungen in der Gesundheitsprüfung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass dir der Zugang zur BU komplett verwährt bleibt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine BU trotz Psychotherapie abzuschließen.

BU-Abschluss vor Beginn der Selbsterfahrung

Als angehender Psychotherapeut:in steht von vornherein fest, dass du durch den Prozess der Selbsterfahrung gehen musst. Daher ist es sinnvoll, rechtzeitig vorzusorgen und die BU bereits vor dem Beginn der ersten Therapiestunde abzuschließen.

Grundsätzlich empfehle ich immer, die BU so früh wie möglich abzuschließen. Denn es gilt ganz allgemein: je jünger du bist, umso gesünder bist du in der Regel und umso leichter ist der BU-Abschluss.

BU-Abschluss nach Ablauf des Abfragezeitraums

Wenn du bereits mit der Selbsterfahrung begonnen hast oder schon fertig ausgebildete:r Psychotherapeut bist, kannst du den BU-Abschluss solange verschieben, bis der Zeitraum der Selbsterfahrung nicht mehr in den Abfragezeitraum der Gesundheitsfragen fällt.

Der Abfragezeitraum für psychische Behandlungen liegt meist bei 5 Jahren, immer mehr Anbieter verkürzen aber auch hier inzwischen auf 3 Jahre.

BU-Abschluss mit Ausschluss Psyche

Wenn eine Vorerkrankung für die Versicherungsgesellschaft ein zu großes Risiko darstellt, sie aber dennoch Versicherungsschutz anbieten möchte, erfolgt dies in der Regel durch einen Ausschluss der riskanten Vorerkrankung.

Konkret heißt das: Du bist eigentlich ein kerngesunder junger Mensch, aber steckst mitten in der Selbsterfahrung und möchtest jetzt deine BU abschließen. Wir arbeiten eine Risikovoranfrage aus und schicken diese an eine Handvoll Versicherungsgesellschaften. Deine Anfrage wird geprüft und innerhalb weniger Tage erhalten wir eine Rückmeldung von Gesellschaft A, die sagt:

„Wir können den gewünschten Schutz mit folgender Ausschlussklausel anbieten: Ausschluss Psyche.“

Das heißt, für jeden Leistungsfall, der nicht nachweislich aufgrund einer psychischen Erkrankung eingetreten ist, bekommst du die BU-Rente ausgezahlt. Wirst du aufgrund von Depressionen, Angststörung, o. ä., berufsunfähig, ist die Versicherung leistungsfrei und du bekommst keine BU-Rente ausgezahlt.

Dieser Fall ist nicht optimal, insbesondere wenn man sich die Ursachen für Berufsunfähigkeit anschaut: Mehr als 1/3 aller BU-Fälle sind durch psychische Erkrankungen verursacht. Somit hast du also dein Risiko nur zu einem Teil abgedeckt. Du zahlst aber den vollen Preis.

Wäge gut ab, ob eine BU mit einem Ausschluss für psychische Erkrankungen für dich in Frage kommt. Lasse dich dazu im besten Fall auch objektiv beraten.

die Versicherungspsychologin

Sandra Möbius

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